Betriebsbegehung durch die Berufsgenossenschaft
Sicherheit am Arbeitsplatz sowie die Gewährleistung des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind grundlegende Voraussetzung für Leistungsbereitschaft und Motivation der Beschäftigten des Unternehmens. Zuständig für die Einhaltung der entsprechenden Vorschriften sind die Berufsgenossenschaften. Im Rahmen dieser Aufsichtsfunktion unternimmt die Berufsgenossenschaft regelmäßig auch eine sog. Betriebsbegehung (also Arbeitssicherheitsprüfung), um sich in den Unternehmen vor Ort ein Bild von der Lage zu machen.
Was wird geprüft? Wie kann man sich vorbereiten? – AMETHYST Rechtsanwälte gibt Ihnen einen Überblick über das Wichtigste rund um Betriebsbegehungen durch die Berufsgenossenschaften, sodass Sie der nächsten Prüfung entspannt entgegensehen können.
Warum führen die Berufsgenossenschaften eine Betriebsbegehung durch?
Wie läuft eine Prüfung ab?
Wer sollte an der Betriebsbegehung teilnehmen?
Was prüft die Berufsgenossenschaft?
Welche Rechte haben die Berufsgenossenschaften im Rahmen der Betriebsbegehung?
Wie kann eine Betriebsbegehung der Berufsgenossenschaft vorbereitet werden?
Was passiert, wenn Mängel festgestellt werden?
Warum führt die Berufsgenossenschaft eine Betriebsbegehung durch?
Im Rahmen ihrer gesetzlich vorgesehenen Aufgaben ist die Berufsgenossenschaft auch dazu verpflichtet, durch die regelmäßige Durchführung einer Betriebsbegehung in ihren Mitgliedsunternehmen vor Ort zu prüfen, ob die geltenden Arbeitsschutzbestimmungen eingehalten werden. Dabei spielt auch die frühzeitige Erkennung potenzieller Gefahren und somit die Prävention eine große Rolle. Schließlich dient die Betriebsbegehung auch dazu, Führungskräfte sowie Beschäftigten des Unternehmens für das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz zu sensibilisieren und zu motivieren.
Neben einer solchen allgemeinen Routineprüfung kann es auch konkrete Gründe und Anlässe für eine Prüfung durch die Berufsgenossenschaft geben, z.B.:
- Arbeitsunfälle oder sicherheitsrelevante Vorfälle,
- Meldungen oder Beschwerden über Sicherheitsmängel,
- (Neu-) Veranlagung der Gefahrenklasse,
- Betriebliche Veränderungen (z.B. Verwendung neuer Maschinen oder Arbeitsstoffe),
- Nachkontrollen auf Grundlage bei vorheriger Prüfung festgestellter Mängel,
- Datenerfassungen für die Erstellung von Statistiken oder das Vorstellen einer neuen für das Unternehmen zuständigen Aufsichtsperson.
Wie läuft eine Prüfung ab?
Routinemäßige Arbeitssicherheitsprüfungen durch die Berufsgenossenschaften können im Voraus angekündigt werden, sodass ein Termin mit dem Unternehmen vereinbart werden kann. Eine Terminvereinbarung oder eine vorherige Ankündigung ist jedoch nicht verpflichtend vorgeschrieben, sodass auch unangemeldete Prüfungen möglich sind.
Die Arbeitssicherheitsprüfung selbst besteht sodann aus drei Phasen: Vorgespräch, Begehung und Nachbesprechung.
Im Vorgespräch wird die Gefährdungsbeurteilung des Unternehmens stichprobenartig überprüft. Außerdem sprechen die Prüferinnen und Prüfer das Thema der Arbeitsunfälle allgemein an und weisen auf aktuelle Entwicklungen und Änderungen im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes hin.
Anschließend folgt die eigentliche Begehung des Betriebs. Im Rahmen dieser Betriebsbegehung aufgefallene etwaige Gefahren oder Mängel dokumentieren die Prüferinnen und Prüfer der Berufsgenossenschaft. Anschließend erstellen diese eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
In der Nachbesprechung werden Mängel thematisiert und die daraus folgenden Konsequenzen mit dem Unternehmen besprochen. Am Ende steht eine Vereinbarung über die zur Behebung der Mängel erforderlichen Maßnahmen und über die Frist zur Durchführung. Zum Abschluss wird unter Umständen ein Folgetermin vereinbart – zur nächsten Routinekontrolle oder auch für eine etwaige Nachkontrolle.
Wer sollte an der Betriebsbegehung der Berufsgenossenschaft teilnehmen?
Die Prüferinnen und Prüfer der Berufsgenossenschaften nehmen die Betriebsbegehung keineswegs alleine vor. Diese haben gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 SGB VII das Recht, die Begleitung durch die Unternehmerin bzw. den Unternehmer oder eine von dieser bzw. diesem beauftragte Person zu verlangen.
Daneben sollten (sofern vorhanden) an der Begehung die Fachkraft für Arbeitssicherheit und / oder die zuständige Betriebsärztin bzw. Betriebsarzt, die oder der Sicherheitsbeauftragte, eine Vertreterin bzw. ein Vertreter des Betriebsrats sowie die jeweilige Führungskraft der besuchten Abteilung teilnehmen. Die aktive Teilnahme aller genannten Akteure an der Begehung ist zweifelsohne empfehlenswert, um der Wichtigkeit des Themas Arbeitssicherheit Rechnung zu tragen und diese zu unterstreichen.
Gleichzeitig stellt die Betriebsbegehung eine gute Gelegenheit dar, im Rahmen der persönlichen Begegnung Fragen zu stellen, Unklarheiten zu klären und bei Problemen Lösungen zu finden.
Was prüft die Berufsgenossenschaft?
Nach § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) ist die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber zur Erstellung einer Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung (sog. Gefährdungsbeurteilung) verpflichtet. Diese stellt die Grundlage für die zu ergreifenden Sicherheits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen dar. Daher beginnen die Prüferinnen und Prüfer mit einer stichprobenartigen Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung mit den dazugehörigen Dokumenten und Nachweisen im Rahmen des Vorgesprächs. In der anschließenden Betriebsbegehung macht sich das Prüfteam ein Bild von der Situation an den Arbeitsplätzen und erstellen ein Mängelprotokoll. Dabei wird zum Beispiel Folgendes untersucht:
- Gefährdungen mechanischer, elektrischer, chemischer oder biologischer Art,
- Brand- und Explosionsgefährdungen,
- physikalische Gefährdungen, z.B. durch Vibration, Lärm, Strahlung oder Hitze bzw. Kälte,
- physische Belastungen,
- psychomentale Belastungen, z. B. durch Tätigkeitsinhalt, Arbeitsablauf oder spezielle Arbeitsbedingungen,
- Gefährdungen durch Mängel in der Organisation, Information, Kooperation und Qualifikation.
Außerdem haben die Prüferinnen und Prüfer Fragen an die Organisation des Unternehmens und den Aufbau des Betriebs, beispielsweise:
- Verfügbarkeit technischer Hilfsmittel für den Transport und das Heben schwerer Waren?
- Vorhalten und Erreichbarkeit des vorgeschriebenen Erste-Hilfe-Materials?
- Vorhalten und Erreichbarkeit einer ausreichenden Zahl an Feuerlöschern?
- Keine Stolper‑, Rutsch- oder Sturzgefahren auf Verkehrswegen?
- Ausreichende Beleuchtung für sicheres Arbeiten?
- Freihaltung und Kennzeichnung der Flucht- und Rettungswege?
- Vorhandensein und Funktionstüchtigkeit der erforderlichen baulichen und technischen Brandschutzreinrichtungen?
- Ergonomische Einrichtung der Arbeitsplätze?
In der Regel werden dabei alle Betriebsbereiche besichtigt. Handelt es sich um eine sog. Schwerpunktbegehung oder hat beispielsweise das Unternehmen um eine Beratung für ausgewählte Bereiche, Tätigkeiten oder Arbeitsabläufe gebeten, dann kann sich die Prüfung auch auf nur bestimmte Bereiche beschränken.
Welche Rechte hat die Berufsgenossenschaft im Rahmen der Betriebsbegehung?
Das Prüfteam der Berufsgenossenschaften hat eine ganze Reihe von Rechten, um die Arbeitssicherheitssprüfung ordnungsgemäß durchführen zu können. § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VII sieht etwa ein Sonderzugangsrecht der Prüferinnen und Prüfer vor. Demnach sind diese zu den Betriebs- und Geschäftszeiten berechtigt, Grundstücke und Betriebsstätten des Unternehmens zur Durchführung von Besichtigungen und Prüfungen zu betreten. Zu beachten ist, dass das Sonderzugangsrecht das Unternehmen dazu verpflichtet, die Besichtigung zu ermöglichen und nicht bloß zu gestatten – es besteht also auch eine Pflicht zur Beseitigung von Hindernissen und sonstigen Erschwernissen.
Auch darüber hinaus sieht § 19 Abs. 2 SGB VII umfangreiche Rechte für das Prüfteam vor, wonach das Unternehmen:
- prüfungsbezogene Auskünfte erteilen muss,
- Einsicht in betriebliche Unterlagen gewähren muss,
- die Prüfung von Arbeitsmitteln und persönlicher Schutzausrüstung gestatten muss,
- die Untersuchung von Arbeitsverfahren und ‑abläufen ermöglichen muss,
- die Messung und Ermittlung von gefährlichen Stoffen oder Lärmbelastungen zulassen muss,
- die Entnahme und Mitnahme von Proben gestatten muss,
- Untersuchungen zu Unfallursachen oder Gründen für Erkrankungen oder Schadensfälle ermöglichen muss sowie
- das Prüfteam auf Verlangen durch die Unternehmerin / den Unternehmer oder eine von dieser bzw. diesem beauftragten Person begleitet werden muss.
Wie kann eine Betriebsbegehung der Berufsgenossenschaft vorbereitet werden?
„Gute Vorbereitung ist die halbe Miete“ – das gilt auch bei Arbeitssicherheitsprüfungen durch die Berufsgenossenschaften. Die Vorbereitung lässt sich dabei in 3 Zeitabschnitte gliedern:
1) Allgemeine interne Routineabläufe
Eine gründliche Vorbereitung beginnt schon weit vor dem eigentlichen Prüfungstermin. Es sollte sichergestellt sein, dass alle Beschäftigten regelmäßig zu den Themen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz unterweisen und geschult werden. Das sollte auch entsprechend dokumentiert werden. Außerdem sollten alle im Unternehmen verwendeten Arbeitsmittel regelmäßigen und dokumentierten Prüfungen unterzogen werden. Im gesamten Unternehmen sollten regelmäßig interne Prüfungen durchgeführt werden. So können etwaige Schwachstellen frühzeitig erkannt und rechtzeitig behoben werden.
2) Vorbereitung einer anstehenden Prüfung
Steht eine konkrete Prüfung durch die Berufsgenossenschaft bevor, sollte diese gut vorbereitet werden, um einen reibungslosen Ablauf sowie einen möglichst großen Nutzen zu gewährleisten. Dazu zählt, dass die erforderlichen Unterlagen zusammengestellt werden und griffbereit für die Prüferinnen und Prüfer bereitgehalten werden. Dem Prüfteam sollte außerdem ein geeigneter Raum für die Sichtung der Unterlagen sowie für das Vorgespräch und die Nachbesprechung vorbereitet und zur Verfügung gestellt werden. Auch die Begleitpersonen sollten bereits im Vorfeld festgelegt werden. Schließlich sollten im Unternehmen bestehende Fragen und Unklarheiten gesammelt und interne Checklisten für die Prüfung erstellt werden. Denn die Berufsgenossenschaften haben auch einen Beratungsauftrag.
Welche Unterlagen sollten bereitgehalten werden?
- Aufgabenübertragung im Arbeitsschutz („Übertragung von Unternehmerpflichten“ z. B. auf eine Betriebsleiterin oder einen Betriebsleiter gem. § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG)
- schriftliche Bestellungen; hierzu gehört die Fachkraft für Arbeitssicherheit, die Betriebsärztin bzw. der Betriebsarzt, die oder der Sicherheitsbeauftragte, betriebliche Ersthelferinnen und Ersthelfer, Gefahrgutbeauftragte und weitere
- schriftliche Beauftragungen (z.B. Kranbetrieb, Gabelstapler)
- Nachweis arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen
- Unterweisungsnachweise (Dokumentation der Erst- und Folgeunterweisungen)
- Verzeichnisse von Arbeits- und Betriebsmitteln
- Betriebsanweisungen
- Aktuelle Gefährdungsbeurteilung
- Gefahrstoffverzeichnis
- Sicherheitsdatenblätter
- Nachweis zu Erste-Hilfe Einrichtungen, Verbandbuch
- Notfall- und Evakuierungsplanung
- Prüfberichte über den Brandschutz, Rettungseinrichtungen elektrische Anlagen und Betriebsmittel
- Verzeichnis notwendiger PSA (Persönliche Schutzausrüstungen, z. B. Gehörschutz)
- Hautschutzplan
- Regelungen zum Einsatz von externen Mitarbeiter*innen, Ferienjobber*innen etc.
3) Verhalten während der Betriebsbegehung
Während der Betriebsbegehung selbst sollte mit den Prüferinnen und Prüfern im Rahmen einer guten und konstruktiven Atmosphäre kooperiert werden. Die Gelegenheit zum Stellen von Fragen sollte genutzt werden und ein offener Dialog sollte das Ziel sein. Diskussionen sind erwünscht und die Prüfteams sind gewillt, die beste Lösung mit den Unternehmen zusammen zu finden. Entsprechend ist es empfehlenswert, einen guten Willen zur schnellstmöglichen Behebung etwaiger Mängel zu zeigen.
Was passiert, wenn Mängel festgestellt werden?
Die Berufsgenossenschaften differenzieren hier je nach Schwere des Mangels:
Schwere Mängel protokolliert das Prüfteam. Einige Tage nach der Betriebsbegehung erhält das geprüfte Unternehmen von der Berufsgenossenschaft ein sog. Revisionsschreiben, in welchem der Mangel dem Unternehmen formal mitgeteilt wird. Regelmäßig enthält das Revisionsschreiben zugleich auch eine Frist zur Beseitigung des Mangels. Eine Kopie des Revisionsschreibens erhält neben dem Unternehmen auch der Betriebsrat, sofern vorhanden.
Leichte Mängel notiert sich das Prüfteam lediglich, um die Mängelbeseitigung bei der nächsten Arbeitssicherheitsprüfung zu kontrollieren. Diese Mängel werden zudem dem Unternehmen mündlich während der Besichtigung mitgeteilt.
In Anbetracht dieser Handhabung durch die Berufsgenossenschaften empfiehlt es sich für Unternehmen, ein eigenes Protokoll während der Betriebsbegehung zu führen. Diese Aufgabe übernimmt häufig die Fachkraft für Arbeitssicherheit. So kann aufrichtiges Interesse an der Beseitigung etwaiger Mängel betont werden. Gleichzeitig bietet ein eigenes Protokoll einige organisatorische Vorteile und ist Grundlage einer erfolgreichen Nachbareitung: der Inhalt des Revisionsschreibens lässt sich besser nachvollziehen, die Zuständigkeiten und die Organisation der Maßnahmen zur Mängelbeseitigung lassen sich effektiver strukturieren und Fristen sowie Termine leichter einhalten.
Verstöße gegen die gesetzlichen Pflichten bezüglich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz sowie gegen Anordnungen oder das Sonderzugangsrecht des Prüfteams können von der Berufsgenossenschaft auch mit einem Bußgeld geahndet werden (mehr zum Thema Bußgeld der Berufsgenossenschaft erfahren Sie hier.)
Unsere Dienstleistungen auf einen Blick
- Information und Unterstützung bei der Vorbereitung auf eine Betriebsbegehung / Arbeitssicherheitsprüfung
- Anfechtung von Bußgeldbescheiden der Berufsgenossenschaft
-
Consulting zur Vermeidung einer Erhöhung der Beitragseinstufungen
- Widerspruch gegen von der Berufsgenossenschaft auferlegte Zuschläge
- Betreuung von Beitragsstreitigkeiten mit der Berufsgenossenschaft
-
Entwicklung von Verteidigungsstrategien und prozessuale Vertretung gegen die Berufsgenossenschaften