Trotz BSG-Urteil: Mangelnder Versicherungsschutz im Homeoffice bleibt Haftungsfalle für Arbeitgeber

Unfälle im Home­of­fice sind nur in sel­te­nen Fällen über die Beruf­sgenossen­schaften ver­sichert. Das hat das Bun­dessozial­gericht am 27. Novem­ber 2018 in zwei Ver­fahren entsch­ieden (Az. B 2 U 8/17 R und B 2 U 28/17 R ). Ger­ade im Home­of­fice  liegt eine nicht zu unter­schätzende Haf­tungs­falle für Arbeit­ge­ber. Ver­sich­ern diese ihre Mitar­beit­er nicht im Home­of­fice, kön­nten sie diese Kosten wegen eines Ver­stoßes gegen „Schutzpflicht­en“ selb­st tra­gen müssen. Arbeit­ge­ber soll­ten drin­gend Vor­sorge tre­f­fen und ihre Arbeit­nehmer aus­re­ichend ver­sich­ern, um nicht selb­st zahlen zu müssen.

In zwei Entschei­dun­gen hat sich das Bun­dessozial­gericht nun für einen Ver­sicherungss­chutz im Home­of­fice – in beson­deren Kon­stel­la­tio­nen – aus­ge­sprochen. Diese Entschei­dung sollte aber nicht missver­standen wer­den, denn der Stan­dard­fall bleibt davon unberührt. Das BSG hat­te sich damit zu befassen, ob „Wege­un­fälle“ auf Trep­pen zu Büroräu­men Arbeit­sun­fälle sind, wenn die ver­let­zten Per­so­n­en in dem­sel­ben Haus wohnen. Das bejahte das Gericht in einem Fall mit der Begrün­dung, es komme allein auf die „objek­tive Hand­lung­s­ten­denz“ des Beschäftigten an. Dieser muss also zweifels­frei und beleg­bar eine beru­fliche Tätigkeit aus­geübt haben, um Ver­sicherungss­chutz in der eige­nen Woh­nung bzw. im Trep­pen­haus des Haus­flures zu besitzen. Das Gericht mod­i­fizierte insoweit seine bere­its grund­sät­zlich eingeschla­gene Recht­sprechung zum Ver­sicherungss­chutz im Home­of­fice, wonach bei allein oder gemis­cht pri­vat genutzten Räu­men ein Ver­sicherungss­chutz schon deshalb auss­chei­de, weil Arbeit­nehmer Wegerisiken in ihrer Woh­nung am besten beherrschen kön­nten (Urt. v. 05.07.2016, Az. B 2 U 5/15 R).

Dass die jüng­ste Recht­sprechung ger­ade nicht als „Freib­rief“ im Home­of­fice zu ver­ste­hen ist, hält das BSG selb­st fest: „Ger­ade im häus­lichen Bere­ich kann die Bewe­is­führung hin­sichtlich der Hand­lung­s­ten­denz und die entsprechende Über­prü­fung kläger­seit­iger Angaben beson­ders schwierig sein, weil der Kreis der „unternehmens­di­en­lichen“ Ver­rich­tun­gen bei Selb­st­ständi­gen sowie bei abhängig Beschäftigten, die im sog „Home-Office“ tätig sind, typ­is­cher­weise mit weit­en Teilen des Pri­vatlebens ver­woben ist.“

Entsprechend gle­icht es einem Glücksspiel, ob Gerichte einen Arbeit­sun­fall annehmen oder nicht. Und hierin liegt die Gefahr: Wer sich als Arbeit­ge­ber auf das Beste­hen von Ver­sicherungss­chutz ver­lässt, kann, wenn die BG nicht zahlt, unter Umstän­den zur Ersatz­zahlung herange­zo­gen wer­den, wenn er es an der notwendi­gen Aufk­lärung oder aus­re­ichen­den Arbeitss­chutz­maß­nah­men hat fehlen lassen.

Bei­den Aus­gangsver­fahren lagen ähn­liche Sachver­halte zugrunde. Die ver­let­zten Per­so­n­en – ein Ver­sicherungs­mak­ler und eine Ver­trieb­smi­tar­bei­t­erin – wohn­ten jew­eils in einem Mehrfam­i­lien­haus, in dem sich auch die Büroräume befan­den, in denen sie arbeit­eten. Auf dem Weg zwis­chen Woh­nung und Arbeit stürzten bei­de jew­eils auf ein­er Treppe. Die Ver­trieb­smi­tar­bei­t­erin rutschte dort ab und zog sich Ver­let­zun­gen im Wirbel­säu­len­bere­ich zu. Der Ver­sicherungs­mak­ler stürzte auf dem Weg von seinen Büroräu­men zum Server­raum, der sich im Keller des Haus­es befand. Dabei brach er sich das Kahnbein.

In bei­den Fällen hat­ten die Aus­gangsin­stanzen Ver­sicherungss­chutz verneint. Bei der Ver­trieb­smi­tar­bei­t­erin mit dem Argu­ment, dass die genutzte Kellertreppe Pri­vat- und Geschäft­sräume miteinan­der verbinde und deshalb noch zur Pri­vat­sphäre gehöre. Bei dem Ver­sicherungs­mak­ler war es am Ende kaum anders, obwohl er zwis­chen zwei betrieblich genutzten Räu­men wech­selte: Immer wenn sich jemand in einem Gebäude ver­let­zte, in dem sich Arbeitsstätte und Woh­nung befind­en, so beste­he Ver­sicherungss­chutz nur dann, wenn der Unfal­lort (Räume, Trep­pen) unter Berück­sich­ti­gung der gesamten Umstände des Einzelfalls Betrieb­szweck­en des Unternehmens wesentlich diene und nicht dem rein per­sön­lichen Lebens­bere­ich zuzuord­nen sei. Das BSG sprach nun der Ver­trieb­smi­tar­bei­t­erin Ver­sicherungss­chutz zu, während es die Sache des Ver­sicherungs­mak­lers zur weit­eren Sachaufk­lärung an das Aus­gangs­gericht zurückverwies.