BGHW als richtige Gefahrtarifstelle bei überwiegender Vertriebs- und Handelstätigkeit
Für die Zuordnung zu einem Gefahrtarif kommt es darauf an, welchem Unfallversicherungsträger das Unternehmen seiner Eigenart nach nähersteht (BSG v. 13.10.1992 — 2 RU 23/92). Ein Unternehmen, das ausschließlich vertriebsorientierte Tätigkeiten erbringt, ist etwa in der Gefahrtarifstelle Handel (GT-Stelle 936806 der BGHW) zu veranlagen. Eine Neuveranlagung bei der BGHM käme nur bei veränderten Unternehmenstätigkeiten oder neuen Gefahrtarifen in Betracht.
„Hersteller“ im entscheidenden Sinne
Ein Blick in die Satzungen der BGHM und der BGHW macht deutlich: Die Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) ist der gesetzliche Unfallversicherungsträger für holz- und metallverarbeitende Betriebe. Die BGHW ist als Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik zuständig.
Bzgl. der richtigen Veranlagung im Gefahrtarif kann es da durchaus mal zu Unstimmigkeiten kommen. Wenn die BGHM etwa davon ausgeht, dass ein Unternehmen als „Hersteller“ am Markt auftritt und daher in einer Gefahrtarifstelle bei ihr zu veranlagen ist, ist gründlich zu überprüfen, ob das Unternehmen nicht vielleicht nur als „Hersteller“ gem. § 4 Abs. 2 ProdHaftG anzusehen ist. So kann es zwar als „Entwicklerin und Inverkehrbringerin“ im Markenkontext anzusehen sein, das muss aber nicht zwingend auch bzgl. der Unfallgefahren so sein.
So beispielsweise, wenn ein früher produzierendes Unternehmen inzwischen als reines Handelsunternehmen Produkte aus dem Ausland bezieht und nach einer Qualitätsprüfung weltweit vertreibt. Eine gemeinsame Absprache mit dem produzierenden Unternehmen erfolgt lediglich hinsichtlich der Platzierung des Markendesigns. Ob hier von einer Veranlagung im Gefahrtarif der BGHM oder der BGHW auszugehen ist, ist genau zu prüfen.
Sinn und Zweck – Herstellerbegriff
Als Ansatzpunkt kann es hilfreich sein, sich mit dem Sinn und Zweck des Herstellerbegriffs auseinanderzusetzen und auch einen Blick in die Historie zu werfen.
Mit den DGUV-Tarifreformen in den vergangenen Jahren sollte die Anzahl der Gefahrtarifstellen bei allen Berufsgenossenschaften verringert werden. Bei der BGHM führte das dazu, dass die Gefahrtarifstellen für Verwaltung oder Vertriebstätigkeiten aufgelöst und der Tätigkeit zugeordnet worden sind, die den zu veranlagenden Tätigkeiten jeweils ihr „Gepräge“ gibt. Das sind bei Unternehmen der Produktion die jeweils hergestellten Güter; bei reinen Handelsunternehmen ist es die Handelstätigkeit.
Ausschlaggebend für die korrekte Zuordnung ist jedoch stets die Vergleichbarkeit der von einer Gefahrtarifstelle erfassten Risiken. So wird bei der Festsetzung der Gefahrtarifstellen stillschweigend davon ausgegangen, dass der Anteil an Verwaltungsmitarbeitern dem Anteil der Mitarbeiter in der Produktion bei allen Versicherten grundsätzlich entspricht.
Schwankungen sind zwar grundsätzlich hinzunehmen. Entfällt die Tätigkeit des Herstellens jedoch vollständig, kann diese nicht mehr die Basis für die Veranlagung in einem bestimmten Gefahrtarif darstellen (BSG v. 04.05.1999 – B 2 U 11/98 R), weil sich schon die typisierte Gefahr der Produktion nicht mehr verwirklichen kann (BSG v. 22.03.1983 – 2 RU 27/81).
Indem ein Unternehmen nicht nur die Produktion einzelner Teile, sondern die vollständige Produktionskette ins Ausland verlegt, kann sie rechtlich nicht mehr als Hersteller gelten, da sie als Vertreiberin darüber überhaupt keine Kontrolle mehr besitzt. Eine Vergleichbarkeit kann daher nur noch mit einem Handelsunternehmen angenommen werden kann.
Grundsatz der Katasterstetigkeit
Auch ist der Grundsatz der Katasterstetigkeit hier zu berücksichtigen. Dieser bedeutet, dass Änderungen in der Berufsgenossenschaft und in Gefahrtarifen nur, aber auch immer dann relevant sind, wenn eine so wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse eintritt, die zu einer grundlegenden und dauerhaften Umgestaltung des Unternehmens führen. Das ist der Fall, wenn Änderungen dem Unternehmen ein grundlegend neues Gepräge gegeben haben.
“Grundlegend” wiederum bedeutet, dass die Unternehmenstätigkeit nicht mehr in die bisherige Gefahrengemeinschaft passt, der die beiden zentralen Aufgaben Unfallverhütung und Erbringung von Entschädigungsleistungen übertragen sind. Die wesentliche Änderung im Unternehmen muss sich auf die Herstellungsweise der Erzeugnisse, die in Betracht kommenden Arbeitsvorgänge sowie die dabei benutzten Betriebseinrichtungen beziehen (BSG v. 31.05.1988 – 2 RU 62/87).
AMETHYST — Tipp: Gibt es Änderungen?
Es ist also zu prüfen, ob eine Änderung der Unternehmenstätigkeit oder aber veränderte Gefahrtarife vorliegen. Sofern das nicht der Fall ist, besteht für eine Neuveranlagung schlicht kein Raum. Sofern Sie Ihre Neuveranlagung überprüfen möchten, unterstützen unsere AMETHYST-Rechtsanwälte Sie gerne.