Falscher Gefahrtarif — Was tun? ‑Teil II
3. Erstattung
Sofern der Veranlagungsbescheid aufgehoben wird, erfolgt auch eine Änderung der Beitragsbescheide. Gleichzeitig sind gemäß § 26 II Hs.1 SGB IV zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten. § 26 II Hs. 2 SGB IV lässt zwar den Anspruch verfallen, soweit der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs auf Grund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat ( sog. Verfallsklausel).
Dies beruht aber auf dem Gedanken der Wechselseitigkeit zwischen Leistungen und Beiträgen. Da § 26 SGB IV auch in den Bereichen der Kranken- und Rentenversicherung anwendbar ist, mag dieser Blickwinkel zutreffend sein – im Bereich der Unfallversicherung ist dieser Zusammenhang jedenfalls bei falscher Einstufung in eine Gefahrklasse nicht vorhanden, so dass der Erstattungsanspruch uneingeschränkt gilt.
4. Verjährung
Ein potentiell bestehender Erstattungsanspruch muss aber auch durchsetzbar sein – besondere Aufmerksamkeit sollte daher immer auf den Zeitpunkt der Prüfung der eigenen Veranlagungs- und Beitragsbescheide gelegt werden. Denn von der Verjährungsfrist hängt es letztlich ab, wie hoch der Beitrag ist, den ein Unternehmer zurückverlangen kann.
a) Regelfrist: 4 Jahre
Gemäß § 27 II SGB IV verjährt der Erstattungsanspruch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Beiträge entrichtet worden sind. Das BSG hat hier bereits mehrfach klargestellt, dass in der gesetzlichen Unfallversicherung die Verjährungsfrist mit dem Ablauf des Jahres der Beitragsentrichtung zu laufen beginnt. Dies hat weitreichende Konsequenzen: Im schlimmsten Fall ist der Erstattungsanspruch schon zu dem Zeitpunkt verjährt, zu dem festgestellt wird, dass der Veranlagungs- und Beitragsbescheid rechtswidrig war.
So wurde 2015 vom BSG abermals entschieden, dass bei nicht rechtzeitiger Geltendmachung dem Anspruch der Erstattung rechtmäßig die Einrede der Verjährung entgegengehalten werden kann, da es für den Beginn der Frist nicht auf die vorherige Aufhebung der zugrundeliegenden Veranlagungs- und Beitragsbescheide ankommt.
Die Verjährung war hier am 31.12.2006 eingetreten. Sehr ärgerlich für den Kläger – hatte er doch den die Verjährung hemmenden Antrag auf Rückerstattung erst im Januar 2007 gestellt und damit die von ihm über eine Zeitraum von sechs Jahren begehrten zu viel geleisteten Beiträge verloren.
Das Gericht führte hierzu u.a. aus, dass dem Gläubiger eines Erstattungsanspruchs zahlreiche Möglichkeiten wie z.B. Widerspruch und Anfechtungsklage zur Vermeidung der Verjährung zur Verfügung stünden und dieser von einer rechtlichen Kontrolle der festgesetzten Beitragslast und der Geltendmachung überzahlter Beiträge über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren aus eigenem Entschluss abgesehen hätte.
b) Ausnahme: längere Verjährungsfrist bei unzulässiger Rechtsausübung des Versicherers
Allerdings: Unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung könnte es der Berufsgenossenschaft dennoch verwehrt sein sich auf die Einrede der Verjährung zu berufen. Dies ist freilich eher die Ausnahme als die Regel.
So müsste seitens der Berufsgenossenschaft ein derart schwerer Fehler begangen worden sein, dass es im Ergebnis untragbar wäre, wenn diese sich dem berechtigten Erstattungsanspruch mittels der Verjährungseinrede schlichtweg entziehen könnte. Allein die falsche Veranlagung ist hierfür jedenfalls nicht ausreichend (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.01.2014 — L 3 U 218/11). Hinzu kommen müsste hier z.B. das Unterlassen einer sich aufdrängenden Beratung oder eine konkrete Falschberatung (Hätte der Versicherte von Amts wegen darauf hingewiesen werden müssen, dass etwaige Nachteile bestehen etc.?).
5. Fazit
Unternehmer sollten immer ihre ordnungsgemäßen Veranlagung prüfen und bei Zweifeln daran möglichst schnell reagieren, um zukünftig Beiträge zu sparen und bei fehlendem Verschulden auch für die Vergangenheit Beiträge zurückverlangen zu können.
- Teil I des Textes finden Sie hier. -